Passionen #HappyEnd - Kreuzgangspiele Feuchtwangen

 Alles hat ein Ende, auch die Spielzeit der Kreuzgangspiele Feuchtwangen.
Nachdem - aus bekannten Umständen - die geplanten Stücke auf 2021 verschoben werden mussten, erarbeiteten Intendant Johannes Kaetzler und die Verantwortlichen der Kreuzgangspiele ein Sonderprogramm, dass neben Lesungen, Monologen und Kindertheater ein ganz besonderes Projekt auf die Kreuzgangbühne brachte.
Frei nach Boccaccios Novellensammlung "Decamerone" widmet sich das Ensemble jede Woche einem neuen Thema. #Welt, #Glück, #Wünsche, #Herzschmerz, #Klugheit und #Paare gab es in den vergangenen Wochen zu sehen. Nun folgt das Ende der Reihe - #HappyEnd.

Eine Gruppe von Frauen und Männern beschließt nach dem gemeinsamen Besuch eines Gottesdienstes, die von der Pest geplagte Stadt Florenz zu verlassen, um auf den Land Schutz vor der grassierenden Seuche zu finden. Sie stoßen auf einen leerstehenden Palast, der ihnen fortan Obdach bietet - im Garten dieses Palastes finden sie sich jeden Nachmittag zusammen, um sich die Zeit mit Musik und Geschichten auf das angenehmste zu vertreiben.
Jeden Tag wählt die Gruppe einen König oder eine Königin - die heutige Königin beschließt, dass sich alles um glückliche Enden, auch Happy Ends genannt, drehen soll.

Foto: Kreuzgangspiele Feuchtwangen

Diesem Thema nimmt sich auch gleich die erste Erzählung des Abends an.
Der Edelmann Federigo (Joseph Reichelt) verliebt sich in die adlige Monna Giovanna (Lisa Ahorn) und scheut keine Kosten und Mühen, ihr mit Turnieren und Festen die Ehre zu erweisen. Doch Monna macht sich nichts aus diesen Gesten - und auch nicht aus Federigo. Verarmt und zurückgewiesen zieht Federigo schließlich auf das Land. Neben diesem kleinen Bauernhof ist ihm nur noch ein einziger wertvoller Besitz geblieben: Ein wunderschöner und edler Falke (Mario Schnitzler).
Als Monnas Gatte (Achim Conrad) stirbt, vererbt er seiner Frau und seinem einzigen Sohn (Konstantin Krisch)  all seine Reichtümer. Die beiden ziehen sich für den Sommer auf eines ihrer ländlichen Besitztümer zurück und Monnas Sohn freundet sich mit dem in der Nähe wohnenden Federigo an. Besonders angetan hat es ihm der Falke und als der Knabe schwer erkrankt, äußert er als innigsten Wunsch, das Tier zu besitzen. 
Ihrer vorherigen Zurückweisungen gewahr folgt sie dem Wunsch ihres Sohnes und besucht Federigo unter dem Vorwand, gemeinsam mit ihm zu Mittag essen zu wollen. Hocherfreut stimmt der Edelmann zu, doch er hat in seiner Armut kein wertvolles Mahl im Haus - außer dem Falken. Er lässt ihn schlachten und zubereiten, ohne Monna zu verraten, was sie gegessen hat. Nach dem Essen offenbart sie Federigo jedoch ihr eigentliches Anliegen und dieser beteuert, aus Liebe und höchster Ehrerbietung sein einziges Besitztum als Mahlzeit verwendet zu haben. Verständnisvoll und doch enttäuscht kehrt Monna zu ihrem Sohn zurück, der - ohne den Falken - nach kurzer Zeit stirbt. Ihre Familie drängt darauf, dass Monna ein zweites Mal heiraten solle und schließlich stimmt sie unter einer Bedingung zu. Niemand anders als Federigo möchte sie heiraten - und gemeinsam lebten die beiden glücklich bis ans Ende ihrer Tage.


Im Anschluss gibt Andreas Wobig mit Shakespeares "Die ganze Welt ist eine Bühne"-Monolog einen humorvollen Blick auf die sieben Lebensstufen des Menschen. 

Auch die zweite Geschichte erzählt von einem Happy End. 
Im alten Griechenland studieren Gisippus (Lennart Matthiesen) und Titus (Alexander Ourth) gemeinsam Philosophie - und sind die besten Freunde, die man sich vorstellen kann. Eines Tages soll Gisippus verheiratet werden und zwar mit Sophronie (Lea Aumann), die ebenso jung wie schön ist. Als er seine zukünftige Braut seinem Freund vorstellt, passiert es: Titus verliebt sich unsterblich in Sophronie. Krank geworden vor Liebe offenbart er sich schließlich Gisippus, der ihm ohne Groll einen Plan vorschlägt. Er heiratet die junge Frau offiziell, die Hochzeitsnacht soll sie jedoch - ohne es zu wissen - mit Titus verbringen, wodurch sie Titus´ Frau werden wird. Dieser ist begeistert von diesem Plan, der voll aufgeht. Nach einigen Wochen ist es schließlich an der Zeit, Sophronie in das eigentliche Geschehen einzuweihen. Zuerst noch perplex von dem Spiel der beiden Männer lässt sie sich darauf ein, mit Titus nach Rom zu fliehen.
Einige Zeit vergeht und Gisippus wird als Strafe für sein schändliches Verhalten aus Griechenland verbannt. Verarmt und in Bettlerkleidung schlägt er sich nach Rom durch, wo er auf seinen alten Freund Titus trifft, der ihn jedoch nicht erkennt. Enttäuscht und verzweifelt übernachtet er in einer Höhle und wird am nächsten Morgen Zeuge, wie ein Räuber (Pascal Pawlowski) seinen Diebeskumpanen (Mario Schnitzler) erschlägt. Er stellt sich als Mörder den Wachen, wohlwissend, dass dies seinen Tod bedeuten würde. Vor Gericht wird er vom Richter (Wolfgang Beigel) zum Tode am Kreuz verurteilt, was Titus mitbekommt, seinen alten Freund erkennt und schließlich die Schuld auf sich nimmt. Gerührt von dieser Geste und der tiefen Freundschaft zwischen Gisippus und Titus bekennt sich der wahre Mörder, ein stadtbekannter Räuber, zu seiner Tat. Drei vermeintliche Mörder, nur einer kann es gewesen sein - nun schaltet sich der römische Kaiser (Peter Heeg) ein und spricht alle Männer frei. Titus nimmt seinen Freund mit zu sich nach Hause, verheiratet ihn mit einer seiner Schwestern und gemeinsam leben sie glücklich und zufrieden bis an den Rest ihres Lebens.

Nach dieser Geschichte beschließen die aufs Land geflohenen Frauen und Männer, wieder nach Florenz zurückzukehren. Was aus ihnen geworden ist? Das weiß man nicht...

Der besondere Zauber des "Passionen"-Projekts liegt in der wunderbaren Verbindung zwischen den "Decamerone"-Geschichten und dazu passender Musik. #HappyEnd beinhaltet nur Lieder, die bereits in den anderen Episoden verwendet wurden und schließt damit den musikalischen Kreis. Traurig und doch schön wirken diese Lieder nun im Angesicht des nahen Endes der Spielzeit. Den Anfang macht Sabine Sachse mit dem zu Tränen rührenden "With you" aus dem Musical "Ghost". Rebekka Michalek und Pascal Pawlowski blicken gemeinsam auf die "City of Stars" zurück, die heute nicht nur Florenz, sondern auch ein bisschen Feuchtwangen ist. Anschließend nimmt Achim Conrad das Publikum mit auf die berührende Reise in Kurt Weills Sehnsuchtsland "Youkali". Mit "Hinterm Horizont" lassen Joseph Reichelt und Lisa Ahorn die letzte Episode der Passionen emotional ausklingen.

Mit dem Ende der Spielzeit kommt auch die Ungewissheit. Wie geht es weiter? Ist 2021 eine normale Spielzeit möglich? Mit den "Passionen" stellen die Kreuzgangspiele eindrucksvoll den Stellenwert von Theater für das Feuchtwanger Pubikum unter Beweis, das mit Standing Ovations und nicht enden wollendem Applaus dankt. Der Erfolg des Projekts ist nicht nur Intendant und Regisseur Johannes Kaetzler zu verdanken, denn ohne den musikalischen Leiter Bernd Meyer und das herausragende Ensemble (Achim Conrad, Alexander Ourth, Andreas Wobig, Antje Otterson, Chantale Schumacher, Doris Otto, Joseph Reichelt, Konstantin Krisch, Lea Aumann, Lennart Matthiesen, Lisa Ahorn, Mario Schnitzler, Meike Pintaske, Pascal Pawlowski, Rebekka Michalek, Sabine Sachse, Ulrich Westermann, Urs Schleiff, Wolfgang Beigel und Peter Heeg) hätte dieser Sommer nicht funktioniert.
 
"Hinterm Horizont geht´s weiter - ein neuer Tag", heißt es im letzten Lied der letzten Passion hoffnungsvoll. Egal, wie es weitergeht - von diesem außergewöhnlichen und besonderen Sommer bleibt die Hoffnung und die Gewissheit, dass ohne Kultur, ohne Theater, ja, ohne die Kreuzgangspiele alles nichts ist. 

Noch bis Sonntag, den 16. August, gibt es die Gelegenheit, das Ende der "Passionen"-Reihe auf der Kreuzgangbühne zu erleben - Karten und weitere Informationen gibt es wie gewohnt unter https://www.kreuzgangspiele.de/home.html.