Jedermann - Kreuzgangspiele Feuchtwangen

Eine besondere Spielzeit liegt vor den Kreuzgangspielen Feuchtwangen - sie feiern ihr 75-jähriges Jubiläum! Seit 1948 dient der romanische Kreuzgang in der mittelfränkischen Kleinstadt als Schauplatz für Theater und hat in seiner langjährigen Geschichte schon in verschiedenste Theatertraumwelten entführt. 

Zum Jubiläum gibt es ein besonderes Stück, der "Jedermann" von Hugo von Hofmannsthal steht auf dem Spielplan. Es ist - vermutlich - das bekannteste Stück der Welt und doch ist die Inszenierung in diesem Jahr nur die dritte überhaupt in der Kreuzganggeschichte. 
Dabei könnte "Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes", wie der "Jedermann" auch genannt wird, aktueller nicht sein. 

Jedermann kann sich vor Reichtum nicht retten, doch ist dabei ein Mensch ohne Empathie und voller Egozentrik. Einen armen Bettler - ein früherer Nachbar von ihm - weißt er ab und verwendet das Geld lieber dafür, seiner Geliebten einen Lustgarten zu kaufen. Einen seiner Schuldner lässt er in den Kerker werfen, da dieser seine Schulden nicht mehr begleichen kann. Erbarmen und Mitgefühl? Das ist Jedermann fremd. 
Doch dieses Verhalten hat Konsequenzen. Gott, der Herr im Himmel, schickt den Tod zu Jedermann, um ihn vor das göttliche Gericht zu holen. Jedermann allerdings ist geschickt und handelt mit dem Tod eine Stunde Zeit heraus, in der er Freunde suchen darf, die sich bereit erklären, mit ihm vor das göttliche Gericht zu treten und für seine Barmherzigkeit zu bürgern. 
Doch gestaltet sich das nach einem Leben nur für Macht, Geld und Einfluss sehr viel schwieriger, als Jedermann gedacht hätte...

Foto: Kreuzgangspiele Feuchtwangen / Nicole Brühl

Für das Bühnenbild des "Jedermann"  wählen die Kreuzgangspiele einen ungewöhnlichen Ansatz: Die Bühne ist - bis auf wenige Szenen - komplett leer. Nur über den Kreuzgangbögen sind Gebilde angebracht, die den Himmel verdeutlichen und im Verlauf des Stück stimmungsvoll illuminiert in Szene gesetzt werden. Der Verzicht auf großen Schnickschnack zahlt sich voll aus, bekommt doch so der teils etwas sperrige Text Raum, seine volle Kraft zu entfalten. 

Auch Rauch und Feuer sind Teil der Inszenierung - wieder einmal großartig in Szene gesetzt von Daniel Asofiei. 

Der Text des "Jedermanns" ist - wie bereits erwähnt - etwas sperrig und erinnert in seiner Reimform an Texte aus dem Mittelalter. Um ihn verständlich auf die Bühne zu bringen, bedarf es eines spielstarken Ensembles, mit dem die Kreuzgangspiele hier auch aufwarten. 

In kleineren Nebenrollen sind Jaes Gärtner (Cousine Jedermanns und Selige), Viviane Ebert (Erzengel Michael, Frau des Schuldknechts), Niklas Kappler (Schuldknecht, Christus, Gast), Juliane Krug (Köchin, erste Frau, Selige) und Daniel Asofiei (Büttel, Kellner, Knecht) zu sehen.  

Vor 60 Jahren stand Peter Heeg das erste Mal auf der Kreuzgangbühne. Nun, mit über 80 Jahren, gibt er Gott, dem Herrn, und dem armen Bettler im "Jedermann" Gestalt. Es ist ein großes Glück und eine große Ehre, ihn immer noch bei den Kreuzgangspielen erleben zu dürfen. 

Ihre Kreuzgangpremiere feiert Helene Ruthmann. Als Jedermanns Mutter gibt sie den Glauben an das Gute in ihrem Sohn nicht auf und versucht unermüdlich, ihn auf den richtigen Weg zurückzubringen. 

Jan Hendrik-Wagner hat als Teufel den Schalk im Nacken sitzen. Ein wenig an den Faustschen "Mephisto" erinnernd lockert er mit seinem fehlgeschlagenen Versuch, Jedermann auf seine Seite zu holen, das Stück herrlich amüsant auf. 

Erst als Vetter Jedermanns und schließlich als Mammon ist Lennart Matthiesen Teil des Ensembles. Mit viel Witz und Charme - und ohne dabei die Tiefe und Ernsthaftigkeit des Mammons zu vernachlässigen - ist er einer der Fixpunkte des Stückes. 

Als Buhlschaft steht Kirsten Schneider auf der Bühne. Viel Text hat die Buhlschaft - wie in der Vorlage nicht - und bleibt daher in vielen Inszenierungen oft flach. Bei den Kreuzgangspiele jedoch gelingt es Schneider, die Rolle zu erheben, ihr eine (noch) tiefere Bedeutung zu geben und die Buhlschaft als starke, empathische Frau anzulegen. 

Eine  weitere starke Frauenrolle hat der "Jedermann" mit der Figur des "Glaube" zu bieten - Heike Clauss verkörpert sie standhaft und mitfühlend. 

Eine der positivsten Überraschung des Stückes ist Meike Pintaske. Als Jedermanns Werke ist ihre Rolle zwar nicht wirklich groß, doch eine der wichtigsten: Sie ist es, die Jedermann zurück auf den rechten Weg führt. Zuerst schwach und gebrechlich, da Jedermann seine guten Werke vernachlässigt hat, wandelt sie sich zur starken und aufrichtigen Figur und hat dabei entscheidenden Anteil an Jedermanns Erlösung. Packend und berührend! 

Michael Groetzsch spielt Jedermanns guten Gesell wunderbar schmierig und noch egozentrischer als Jedermann selbst. Ist er wirklich ein aufrichtiger Freund für Jedermann oder ist er nur auf Reichtum und Macht aus? Auf jeden Fall: Stark gespielt! 

Eines der Highlights der Inszenierung ist Ulrich Westermann als Tod. Beklemmend, furchterregend und doch anmutig sucht sein Tod den Jedermann heim. Sein Ruf nach Jedermann geht durch Mark und Bein. 

Als Titelfigur steht Thomas Hupfer auf der Bühne im romanischen Kreuzganggeviert. Er legt den "Jedermann" als Machtmensch an, als Egozentriker, der nur auf seinen eigenen Vorteil aus ist. Doch ebenso glaubhaft wie den "Kotzbrocken" am Anfang des Stückes nimmt man ihm Jedermanns Wandel zum Guten ab. Mit vollem Körpereinsatz spielt Hupfer auch die feinsten Nuancen der Rolle aus und trägt die Inszenierung mit seinem facettenreichen und herausragenden Schauspiel auf seinen Schultern. 


Ein Traumspiel soll der Feuchtwanger "Jedermann" laut Regisseur und Intendant Johannes Kaetzler sein. Es ist keine leichte Kost, die er damit auf die Bühne bringt.  
Seine Inszenierung holt das Stück in die Moderne und lässt den Text für sich sprechen. 
Verlassen kann er sich dabei zu jeder Zeit auf sein Ensemble, das stark aufspielt. 
"Jedermann" bei den Kreuzgangspielen ist modern und doch roh. 
Der Feuchtwanger "Jedermann" ist einfach wahre Theaterkunst. 
Ein Stück, das man nicht verpassen darf! 


Bis zum 11. August 2023 kann man den "Jedermann" bei den Kreuzgangspielen in Feuchtwangen erleben. Karten und weitere Informationen zum Stück und den Kreuzgangspielen findet ihr unter https://www.kreuzgangspiele.de/home.html.