Dracula - Kreuzgangspiele Feuchtwangen

Endlich darf der Herr aller Vampire sein Unwesen auf der Kreuzgangbühne treiben! Die Rede ist natürlich von Dracula, dem wohl bekanntesten Vampir der Film- und Literaturgeschichte. 
Schon im letzten Jahr sollte das "Dracula" von Bram Stoker bei den Kreuzgangspielen gezeigt werden - aus bekannten Gründen wurden die geplanten Stücke allerdings auf 2021 verschoben. Nun ist es soweit und die von Intendant und Regisseur Johannes Kaetzler für den Kreuzgang adaptierte Fassung des Romanklassikers feiert endlich seine Premiere. 

Wir befinden uns in Transsylvanien, es ist eine dunkle Nacht, die Wölfe heulen. Der junge Rechtsanwalt Jonathan Harker ist in geschäftlichen Angelegenheiten unterwegs, soll er doch dem Grafen Dracula in dessen Schloss ein Immobilienangebot für ein Domizil in London, dem Zentrum der Welt, unterbreiten. Während des Abendessens kommen die beiden Männer ins Gespräch, in dem Graf Dracula von seiner früh verstorbenen Frau erzählt. Als Jonathan Harker ihm ein Bild seiner Verlobten Mina Murray, die in London auf ihn wartet, zeigt, ist er schockiert, gleicht doch Minna dem Galeriebild der verstorbenen Frau des Grafen bis ins letzte Detail.  Überstürzt will er das Schloss verlassen, doch die Kinder der Nacht des Grafen wissen dies zu verhindern...
Währenddessen sorgt sich Jonathans Verlobte Mina in London, da sie seit seiner Abreise nichts von ihrem zukünftigem Ehemann gehört hat. Zum Glück hat sie ihre beste Freundin Lucy Westera, bei der sie im Gästezimmer wohnt, um nicht alleine zu sein und - zur Freude von Lucys Mutter - nachts auf Lucy aufpassen kann, da diese schlafwandelt.
Doch als im alten Anwesen nebenan ein neuer, düsterer Nachbar einzieht, hält auch hier das Unglück Einzug...

Foto: Kreuzgangspiele // Forster

Während andere Theater ihre besonderen Theaterkulissen durch große und markante Bühnenbilder verbauen, gehen die Kreuzgangspiele traditionell einen anderen Weg. Kleine Häuschen in Maueroptik bilden gemeinsam mit dem romanischen Kreuzgang den Hintergrund für das transsilvanische Schloss und sind schnell umgebaut Kulisse für den Friedhof, das Sanatorium und die verschiedenen Anwesen in London. 
Besonders in Szene gesetzt wird der Kreuzgang einmal mehr durch die atmosphärische Pyrotechnik von Daniel Asofiei.

Für "Dracula" warten die Kreuzgangspiele mit einem großen Ensemble auf, auch wenn sich die Handlung im Verlauf des Stückes auf die Hauptcharaktere konzentriert.
So bleiben die verführerischen Bewohnerinnen des Schlosses von Graf Dracula (Rebekka Michalek, Chantale Schumacher und Meike Pintaske) ebenso wie Daniel Asofiei als Kutscher und Pfleger im Sanatorium rollenbedingt im Hintergrund.

Peter Heeg als Diener James Swales ist der Dreh- und Angelpunkt im Hause Westera, 
sorgt sich hingebungsvoll um Lucys übersorgsame Mutter (Antje Otterson) und behält doch auf seine Weise die Zügel in der Hand.

Jonathans Vorgänger, R.M. Renfield, kehrte vermeintlich geisteskrank von der Reise zu Graf Dracula zurück und sitzt nun im Sanatorium. Ulrich Westermann gelingt die perfekte Balance zwischen klaren und manischen, abgedrehten Episoden.

Ärzten sagt man oft eine leicht arrogante Ader nach, auch die Vertreter*innen dieser Zunft in "Dracula" bilden da keine Ausnahme. Während der Leiter des Sanatoriums, Dr. John Seward (Urs Schleiff), seine Unsicherheiten und Abhängigkeit von Morphium kaschieren will, versucht sich Dr. Quincey Morris (Lisa Ahorn) empathisch und doch voller Ehrgeiz in der bisherigen Männerdomäne zu beweisen.

Konstantin Krisch gibt dem reichen Lord Arthur Holmwood die Ecken und Kanten, die dem jungen Adligen stückbedingt fehlen und macht so den Charakter leichter greifbar, seine Handlungen verständlicher.

Lucy Westera steht mitten im Leben und weiß genau, was sie will. Sina Schulz betont bewegend den Kontrast zwischen der jungen, unschuldigen Frau und dem Wunsch nach Erlösung als von Dracula gebissene Untote.

Professor Abraham van Helsing, renommierter Arzt und Experte für Vampire, sieht seine Chance, Dracula endlich zu stoppen. Verbissen, beinahe narzisstisch verfolgt er den Fürsten der FinsternisAchim Conrad arbeitet die Eigenschaften van Helsings exzellent heraus und  lässt dennoch die Frage offen, ob der Vampirexperte wirklich der wahre Held der Geschichte ist.

Jonathan Harker (Joseph Reichelt) bleibt zu Beginn in direkter Konfrontation mit dem Grafen Dracula zurückhaltend, findet nach seiner Rückkehr aus der transsilvanischen Gefangenschaft jedoch seine Entschlossenheit und wird zum wichtigen Faktor bei der Jagd nach dem Vampir.

Für Minna Murry ist Lea Aumann die perfekte Besetzung. Selbstbewusst, aber doch bodenständig legt sie die junge Frau an. Als einzige zeigt sie Empathie, sogar Verständnis für den Grafen Dracula, dabei schwingt die besondere, unausgesprochene Verbindung zwischen Minna und Dracula immer mit. 

Den Fürsten der Finsternis und Herr aller Vampire spielt Andreas WobigSein Dracula ist kein oberflächlicher Verführer, das muss er auch gar nicht sein. Wobigs Dracula sehnt sich nach Liebe und Erlösung, ist schier davon zerfressen. Diese Interpretation gibt der Figur Raum, ihre enorme Tiefe zu entfalten. Vom alternden Schlossherren bis zum Londoner Lebemann stellt Andreas Wobig seine enorme Wandlungsfähigkeit einmal mehr unter Beweis.


Mystisch, atmosphärisch, düster und vor allem spannend ist "Dracula" bei den Kreuzgangspielen Feuchtwangen geworden. Schlag auf Schlag spitzt sich die Dramatik immer mehr zu, bis es schließlich zum großen Showdown zwischen Vampirjägern und dem gejagten Dracula kommt. Das ist große Theaterkunst, die Regisseur Johannes Kaetzler und sein Ensemble auf die Bühne bringen. Ein Must-See für alle Theaterfreunde!

"Dracula" ist noch bis Mitte August bei den Feuchtwanger Kreuzgangspielen zu sehen, allerdings sind aufgrund der aktuellen Abstands- und Kapazitätsregelungen alle Vorstellungen ausverkauft. Informationen zu kurzfristigen Restkarten und den weiteren Stücken der Spielzeit 2021 gibt unter https://www.kreuzgangspiele.de/home.html.