[Interview] Maik Eckhardt



Dinkelsbühl scheint Maik Eckhardt zu gefallen, denn 2019 kehrt der 30-jährige Musicaldarsteller zurück auf die Freilichtbühne des Landestheaters Dinkelsbühl. Im letzten Jahr noch in "Das Boot" und "Und es war Sommer" zu sehen, steht er nun als Dr. Tarek Berger in "Willkommen bei den Hartmanns" und Josef Eisenbichler in der Schlagerette "Sommer, Sonne, 79" wieder auf der Freilichtbühne im Künßberggarten.

Doch auch im Winter ist Maik Eckhardt vielbeschäftigt: Zuletzt begeisterte er als Will Scarlet in der Willinger Inszenierung von "Robin Hood" und als Ensemblemitglied und Cover Raoul in "Das Phantom der Oper" von Deborah Sasson deutschlandweit das Publikum. 

Foto: Katharina Rosenthal Photografie und MakeUp

Warum bist du Musicaldarsteller/ Schauspieler geworden?
Das ist leicht zu beantworten: Ich habe mit 6 Jahren mit Showtanz angefangen und schon von klein auf viel getanzt. Das Singen kam durch die Schulband meiner Realschule dazu. Mit 11 Jahren habe ich dann das erste Mal „Starlight Express“ gesehen. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis. Ich wusste damals natürlich nicht, dass Musicaldarsteller ein tatsächlicher Beruf ist und dachte, das wären normale Sänger auf Rollschuhen.
Richtig „klick“ gemacht hat es bei mir erst mit 16. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir bewusst, dass Musical wirklich etwas sein kann, das mich für den Rest meines Lebens begleiten kann. Bis zu diesem Zeitpunkt war es für mich einfach nur ein Hobby. Trotzdem habe ich zuerst eine Ausbildung um Erzieher gemacht und erst danach mein Schauspielstudium an der Schauspielschule Kassel begonnen. Während der 3 ½ -jährigen Schauspielausbildung hat mir allerdings das Singen und Tanzen gefehlt, darum habe ich mich an der Stage Academy of Arts in Frankfurt-Oberursel beworben und durfte dort direkt im Anschluss die Ausbildung zum Musicaldarsteller „dranhängen“. 


Wenn du auf deine bisherige Laufbahn zurückblickst – was war deine Lieblingsrolle? 
Da gibt es viele... Auch wenn ich „nur“ im Ensemble war, fand ich es sehr cool 2016 bei den Clingenburg Festspielen in „Hair“ mitzuspielen. Das war einfach ein großartiger Sommer. Wir waren alle ungefähr im gleichen Alter und haben zusammen in einem alten Haus fast wie in einer 70er-Kommune gelebt. Da hat einfach alles gepasst. 
In der Schauspielschule durfte ich Mephisto in Goethes „Faust“ spielen – seine Ernsthaftigkeit und Tiefe fand ich sehr spannend. Ich hatte ihn sehr klassisch angelegt, als normalen Menschen im Anzug. Es war ein modernerer Ansatz ohne Klischees, die man beim Teufel oft im Kopf hat. 
Außerdem muss ich natürlich noch „Das Boot“ letztes Jahr hier in Dinkelsbühl nennen. Auch wenn ich als „Pilgrim“ keine große Rolle hatte, ist mir diese Inszenierung sehr in Erinnerung geblieben. Die Bühne war einfach der Wahnsinn! Ich habe sie erst bei den Endproben gesehen und obwohl ich ja wusste, was Peter Cahn ungefähr vorhat, war ich einfach nur beeindruckt. Die Bühnenbildner hatten aus Holz ein riesiges U-Boot nachgebaut, das wirklich aussah wie die Originalkulisse im Film. Zum Spielen hatten wir nur 1,50 m Bühnentiefe und 4 m Bühnenbreite, dazu kam noch die niedrige Decke. Es war wahnsinnig spannend, wie das ganze wirkt und was dieses Setting mit einem selber macht. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Dieses Feeling, wie wir im Nachbau des U-Boots standen und das Stück gespielt haben... das habe ich so noch nicht erlebt. 


Wenn du von der Vergangenheit in die Zukunft blickst – hast du Traumrollen, Traumstücke oder Traumtheater?
Meine Traumrolle ist der Frank´N´Furter in der „Rocky Horror Show“ - ich liebe das Stück, die Musik und den Trash. Momentan bin ich vermutlich noch einen Tick zu jung, aber in drei bis vier Jahren könnte das passen. 
Ich mag Stücke, die einen Hintergrund haben, wie zum Beispiel die Revolution in „Les Miserables“ oder der Bandenkrieg in „West Side Story“. „Les Miserables“ möchte ich auf jeden Fall irgendwann einmal spielen, weil es einfach ein riesiger Klassiker ist. Mit „Cabaret“ bei den Clingenburg Festspielen konnte ich mir auch schon einen Wunsch von meiner Liste erfüllen. 
Außerdem würde ich gerne einmal in „Tanz der Vampire“ mitspielen, auch wenn ich nur einmal durch das Bild laufe – ich hoffe Stage Entertainment liest mit. 


Hast du Vorbilder oder Idole im Theater/Musicalbereich und in der Musik?
Ich liebe die Kelly Family seit meiner Kindheit. Ich fand das einfach so wahnsinnig cool, wie die damals Musik gemacht haben. Sie haben alle Instrumente gespielt, sie haben alle selber gesungen... sie haben einfach alles selber gemacht. Das hat mich auf jeden Fall auch in die „Musikecke“ gebracht. Natürlich fand ich sie musikalisch super, aber bei der Kelly Family hat mich vor allem der menschliche Aspekt wahnsinnig beeindruckt. 
Außerdem bin ich ein riesiger Fan von Lady Gaga. Wenn sie will, singt sie die „Pop-Tussies“ völlig an die Wand. Neben Lady Gaga liebe ich Tina Turner. Sie hat einfach diese Kraft in der Stimme und ihren ganz eigenen Klang. Ich mag es, wenn sich etwas vom Einheitsbrei abhebt. Im Musicalbereich besteht oft die Gefahr, dass alles gleich klingt. Es ist einfach schade, wenn sie alle Tenöre oder Sopranos gleich anhören. 
Männliche Vorbilder oder Idole sind da schon schwieriger zu finden... Ich habe eigentlich kein großes Vorbild. In unserem Beruf lernt man immer dazu, da schaut man sich schon die ein oder andere Sache ab, das kann zum Beispiel aber auch bei meinen Kollegen hier in Dinkelsbühl passieren. In unserem Beruf lernt man immer dazu. Es kommt zudem darauf an, was man selbst mitbringt und in welche Richtung man sich entwickeln möchte. 
Natürlich gibt es aber auch Schauspieler, die ich bewundere. Hugh Jackman ist in  „The Greatest Showman“ schauspielerisch und musikalisch einfach großartig. Früher war ich Fan von Johnny Depp, weil dieses extravagante und trashige verkörpert. Er spielt sehr groß, das gefällt mir. Leider habe ich ihn in den letzten Jahren nicht mehr so intensiv verfolgt, aber sein Sweeney Todd oder der verrückte Hutmacher in „Alice im Wunderland“ sind einfach Kult. Außerdem ist Sasha Baron Cohen ein Schauspieler, vor dessen Schauspiel ich unglaublichen Respekt habe – er war in „Les Miserables“ und „Sweeney Todd“ einfach herausragend. 


Du hast im vergangenen Winter zusammen mit Uwe Kröger bei „Das Phantom der Oper“ mitgespielt – wie war es, mit einem Musicalstar wie ihm zusammen zu spielen?
Uwe ist ein wahnsinnig sympathischer und sehr hilfsbereiter Mensch. Wenn jemand Probleme hatte oder wenn es einem nicht gut ging, war er immer für einen da und wollte wissen, was los ist. Auf ihn kann man sich verlassen. 
Außerdem hat Uwe überhaupt keine Starallüren. Natürlich ist er sich seiner Rolle als weltbekannter Musicalstar bewusst, aber er ist echt am Boden geblieben. Ich habe Uwe als wahnsinnig lieben Menschen kennengelernt und mag ihn sehr gerne. Das gleiche gilt für alle Kolleginnen und Kollegen bei der Phantom-Tour, egal ob sie bekannt sind oder nicht. Am Ende des Tages sind wir alle ganz normale Menschen und machen nur unseren Job.
Foto: Sina Schreiber


Nach welchen Kriterien suchst du dir deine Rollen aus?
Das kann ich dir ganz einfach beantworten: Ich suche mir die Rollen nicht aus, ich bekomme die Rollen zugeordnet. Wenn ich mich auf Rollen bewerbe, achte ich natürlich darauf, dass sie meinem Typ passen. Ich bin kein Prince Charming, das will ich auch gar nicht sein. Ich mag „derbere“ Rollen wie den besten Freund oder den bösen Bruder lieber. Außerdem muss das Spielalter passen. Ich bewerbe mich oft auf Rollen zwischen 20 und 30 Jahren, wenn ich mich rasiere und passend anziehe, kann ich aber auch einen 15-Jährigen spielen. Die Arbeitgeber achten darauf, wie viel Erfahrung man schon hat und setzen auch gerne ältere Schauspieler in jüngeren Rollen ein. Umgekehrt ist es natürlich auch möglich, ältere Rollen zu bekommen, wenn die Theater dem Schauspieler diese Reife zutrauen. Natürlich ist auch die Stimmlage ausschlaggebend. Ich kann als Tenor zum Beispiel das Stimmfach Bass nicht bedienen, da kommt nur heiße Luft. Überraschenderweise ist oft auch die Größe relevant. Bei manchen Castingausschreibungen stehen Mindest- oder Maximalgrößen dabei – und das wird tatsächlich beim Casting nachgemessen. 


Als Schauspieler bekommt man (fast) immer Kritik – positiv wie negativ. Positive Kritik hört jeder gern, aber wie gehst du mit negativer Kritik um?
Kritik an sich ist immer wichtig und man kann daran als Schauspieler wachsen, aber letztendlich ist es die Sicht eines einzelnen Menschen.  Ich finde es schade, wenn Kritiker die Atmosphäre und die Publikumsreaktionen nicht beachten. Sie zählen oft nur auf, was ihnen nicht gefallen hat und was die Schauspieler ihrer Meinung nach nicht erfüllt haben, aber sie hinterfragen die Hintergründe nicht. 
Auf negative Kritiken gebe ich in den meisten Fällen nichts, da sie meistens nicht gut recherchiert sind. Wenn man sich negative Kritik zu sehr zu Herzen nimmt, kann es passieren, dass man - je nachdem, wie labil man ist – alles in Frage stellt.
Theater ist immer Geschmackssache, eine Kritik ist nur eine Stimme von vielen. Ich denke, die Menschen sollten sich ihre eigene Meinung bilden, denn oft ist es ein schmaler Grad zwischen konstruktiver und böser Kritik. 


Du bist jetzt das zweite Jahr hier in Dinkelsbühl – was gefällt dir an der Stadt und dem Landestheater, dass du wieder zurück gekommen bist?
Als ich 2018 das erste Mal hier war, habe ich mich tatsächlich ein bisschen in Dinkelsbühl verliebt. Dinkelsbühl hat wirklich die schönste Altstadt Deutschlands, es ist hier wie im Märchen. Es ist ein Traum, hier fünf Monate lang wohnen und arbeiten zu dürfen. 
Außerdem mag ich das Landestheater sehr gerne, hier arbeiten wahnsinnig nette Menschen – allen voran Peter Cahn als Intendant. Ich hatte noch nie einen so guten Chef wie ihn. Er hat immer ein offenes Ohr, ist immer für uns da und hat unglaublich viel Ahnung von Regie. Auch wenn Dinkelsbühl nicht das größte Theater hat, ist die Bühne wirklich süß. Zudem finde ich es bemerkenswert, wie der Bürgermeister, die Institutionen und Bürger hinter dem Theater stehen und ihm so viel Wertschätzung entgegenen bringen. In Großstädten ist ja leider oft das Gegenteil der Fall. 
Ich mag die Kolleginnen und Kollegen hier sehr gerne, es ist ein tolles Haus und man kann sich wirklich einmal auf die Arbeit auf der Bühne konzentrieren. Darum kann ich es mir durchaus vorstellen, längerfristig hier in Dinkelsbühl auf der Bühne zu stehen – im Sommer wie im Winter. 


Dieses Jahr spielst du bei „Willkommen bei den Hartmanns“ mit, letztes Jahr warst du in „Das Boot“ zu sehen. Beide Stücke basieren auf Filmen – inwieweit nimmst du dir die Filme als Vorbild für deine Rollengestaltung?
Vor den Proben habe ich mir „Willkommen bei den Hartmanns“ drei Mal angesehen. Ich spiele Dr. Tarek Berger, im Film gespielt von Elyas M´Barek, und ich war mir am Anfang nicht zu 100% sicher, wie ich ihn anlegen möchte. Elyas M´Barek hat eine gute Vorlage für Tarek gegeben und ihn als sympathischen „Bad Boy“ dargestellt. Da wir aber natürlich nicht den Film nachspielen möchten, habe ich versucht, meinen eigenen Ansatz für die Rolle zu finden. Außerdem hat das Theaterstück die gleichen Dialoge wie im Film, darum hat mir der Film wahnsinnig beim Textlernen geholfen. 


„Sommer, Sonne, 79“ ist eine Schlagerstück mit Songs aus den 70ern – welche Verbindung hast du zu der Zeit?
Ich bin tatsächlich Fan der internationalen Disco-Hits der 70er, zum Beispiel von Abba, Boney M oder Baccara. Auch bei Schlagern mag ich die Songs der 50er, 60er und 70er gerne. Außerdem finde ich es bewundernswert, dass in den 70ern die Schlagersänger wirklich singen konnten und – sofern sie noch leben - es auch heute noch können. Udo Jürgens ist dafür das beste Beispiel. Auch wenn es nicht unbedingt Musik ist, die ich im Auto hören würde, ist sein Werk musikalisch herausragend. Mein einziger persönlicher Bezug zu den 70ern Jahren ist die Musik von Abba, die meine Mama immer gehört hat, und die Hits, die auf der ein oder anderen Party gespielt werden. 


Diesen Sommer stehst in Dinkelsbühl bis Mitte August auf der Bühne – kannst du schon verraten, was du danach machen wirst?
Natürlich darf ich noch nicht viel verraten. Wenn die Sommerspielzeit hier in Dinkelsbühl Mitte August vorbei ist, werde ich erst einmal eine Woche in Urlaub fahren. Im September feiern wir dann die Wiederaufnahme von „Immer wieder Sonntags“, das wir an verschiedenen Terminen noch einmal in Heppenheim spielen. Außerdem werde ich im Herbst und Winter einen Tanzkurs zum Thema Musicaldance im Tanzstudio Spotlight in Bebra bei Bad Hersfeld leiten. Dieser Kurs dauert circa zwei Monate und wird danach je nach Bedarf und passend zu meinen Engagements wieder angeboten. Ende Januar darf ich zum ersten Mal die Choreografie für ein Musical erarbeiten, dazu darf ich aber erst in ein paar Monaten mehr verraten. Auf jeden Fall stehen die Chancen sehr gut, dass ich nächstes Jahr wieder hier in Dinkelsbühl auf der Bühne stehen darf.