Anna Karenina - TiG Bamberg
Wer meinen Blog schon länger verfolgt, weiß, dass ich eine kleine Schwäche für Theaterroadtrips habe. Dieses Mal führte mich mein Weg in das schöne Bamberg, um mir dort "Anna Karenina" vom Theater im Gärtnerviertel, einer freien Theatergruppe, anzusehen.
Das Theater im Gärtnerviertel hat kein festes Theaterhaus in Bamberg, sondern bespielt die verschiedensten Orte im Gärtnerviertel. Für "Anna Karenina" wurde das Lui20 als Spielort ausgesucht, ein Begegnungsraum des Bamberger Flüchtlingshilfevereins Freund statt Fremd e.V.
Im Original von Lew Tolstoi ist "Anna Karenina" ca. 1000 Seiten dick und erzählt von unzähligen Personen. Der Regisseur und Autor Armin Petras hat die Geschichte für die Theaterbühne komprimiert und legt den Fokus des Stückes auf die Liebesgeschichte zwischen Anna Karenina und Graf Wronski.
"Durch Zufall treffen Anna Karenina und Graf Wronski aufeinander und eine bedingungslose Leidenschaft nimmt ihren Lauf. Dazwischen steht Karenin, Annas Ehemann, der sich weder scheiden noch lieben lässt. Gutsherr Lewin liebt leidenschaftlich Kitty, die jedoch meint Graf Wronski zu lieben. Dascha, Kittys Schwester, versucht zu vermitteln um Lewin und Kitty in Liebe zu vereinen, während Dascha genug damit zu tun hat, ihre eigene Ehe zu ertragen. Ihr Mann Stiwa,ein Lebemensch und Frauenversteher, sucht überall Glück und Liebe, nur nicht mehr bei seiner Frau." (Quelle: TiG)
Auch wenn man - wie ich - das Original von Tolstoi nie gelesen hat, tut das dem Stückverständnis keinen Abbruch. Die auf zwei Stunden komprimierte Fassung ist hochspannend, man fiebert regelrecht mit den Protagonisten mit und Zeit vergeht wie im Fluge.
Das Bühnenbild auf der kleinen Bühne des Lui20 ist schlicht und einfach gehalten. Eine Treppe, zwei Rampen und verschiedene Schlagworte auf einer Kreidetafel an der Decke des Raumes richten den Fokus komplett auf die Handlung des Stückes.
Ursula Gumbsch übernimmt in "Anna Karenina" eine Doppelrolle. Sie verkörpert mit Hilfe einer Puppe nicht nur Anna Kareninas Bruder Stiwa absolut glaubhaft, sondern auch dessen Ehefrau Dascha.
Kitty, Daschas Schwester, verkörpert Karin M. Schneider trotz des großen Altersunterschiedes zu ihrer Rolle mit einer unglaublichen Bühnenpräsenz.
Neben Kittys Verehrer Lewin (im Doppelspiel mit Valentin Bartzsch) steht Stephan Bach als Annas betrogener Ehemann Karenin auf der Bühne, dieser nimmt mit wunderbarer Sachlichkeit den Zerfall seiner Ehe zur Kenntnis.
Alina Joers steht als Anna Karenina im Mittelpunkt des Geschehens. Mit großartigem, emotionalen Schauspiel wird sie ihrer Rolle mehr als gerecht.
Valentin Bartzsch zeigt als Graf Wronski unglaublich viele Facetten seines Schauspiels - herausragend!
Ich kann jedem nur ans Herz, sich "Anna Karenina" des TiG Bamberg anzusehen.
Die spannende, auf den Punkt gebrachte Fassung des berühmten Romanepos, das perfekt besetzte, großartig aufspielende Ensemble und das unscheinbare und doch passende Lui20 als Location schaffen eine ganz besondere Theatermagie, die man nur selten findet.
Karteninformationen und Spieltermine von "Anna Karenina" findet man unter http://www.tig-bamberg.de/anna-karenina.html - leider sind die verbleibenden Vorstellungen allesamt ausverkauft, aber nachfragen lohnt sich immer, vielleicht gibt es ja noch Restkarten.
Wer sich für das Lui20 und Freund Statt Fremd e.V. interessiert, erfährt hier mehr über die Arbeit des Vereins: https://freundstattfremd.de/lui20/. Übrigens gibt es dort von Mittwoch bis Samstag ein Café mit internationalen Speisen - schaut doch mal vorbei!