[Interview] Valentin Bartzsch

Foto: Valentin Bartzsch


Für die Ansbacher Theatergänger ist Valentin Bartzsch definitiv kein Unbekannter.
Sein erstes Festengagement nach seiner Ausbildung am Michael Tschechow Studio Berlin führte ihn zur Spielzeit 2015/16 an das Theater Ansbach, wo er in der vergangenen Spielzeit u.a. als Erzähler im Monolog "All das Schöne", als Adi im Kinderstück "Wolken und andere Katastrophen" oder zuletzt als Cléante im Sommerstück "Tartuffe" brillierte. 
Zum Ende der Spielzeit 2017/18 verlässt er leider das Ensemble des Ansbacher Theaters und ist Teil des Crowdfunding-Filmprojekts "Zettels Kampf".




Zu Beginn der Klassiker: Warum bist du Schauspieler geworden?

Gute Frage... Mein Vater war beim Film tätig, hat dort als Beleuchtungsmeister und Kameramann gearbeitet und so bin ich jung mit der Schauspielwelt in Berührung gekommen, hatte aber in meiner Jugend tatsächlich nicht den Wunsch, Schauspieler zu werden. Das ist ein wenig ungewöhnlich, denn die meisten Kollegen wollten das schon immer. Dennoch hatte ich beispielsweise durch das Schultheater das Gefühl, dass es mich in Richtung Schauspiel zieht.
Im Endeffekt hat mich ein Freund, den ich während meines Zivildienstes in Brasilien kennengelernt habe, darauf gebracht. Er war auch Deutscher, hat damals auch seinen Zivildienst dort gemacht und meinte, wenn er nach Deutschland zurückkehrt, möchte er eine Schauspielausbildung machen. Er war der erste, der mir das überhaupt denkbar gemacht hat. Dennoch musste ich viele Umwege gehen und habe nach meiner Rückkehr aus Brasilien erst einmal versucht, Politikwissenschaften zu studieren, um das Studium nach einem Semester sehr erfolgreich abzubrechen und eine Ausbildung zum Rettungssanitäter zu machen.
Er war wie ich in Berlin, an einer Schauspielschule. Dort habe ich ihn immer wieder besucht und auf diesem Weg das Michael Tschechow Studio kennengelernt. Ich war so begeistert von diesem Ort, dem Miteinander und den Ausbildungsinhalten, dass in mir der Wunsch geweckt wurde, auf diese Schule zu gehen – erst einmal noch gar nicht mit dem Ziel, Berufsschauspieler zu werden. Ich wollte eigentlich nur das erste Ausbildungsjahr machen, um eine praktische Antwort auf meine Frage zu bekommen, die ich theoretisch offensichtlich nicht lösen konnte, da ich in den Jahren davor immer wieder daran gedacht habe, die Ausbildung zu machen, aber immer Angst vor dem Schritt und mir das nicht zugetraut hatte. Der Entschluss, wirklich Berufsschauspieler werden zu wollen, kam erst in der Ausbildung. Ich hatte Glück, da ich nur am Michael Tschechow Studio vorgesprochen habe und Gott sei Dank genommen wurde.
Ich finde die Frage nach dem Warum immer schwierig, da es für mich nicht einen festen Grund gibt. Viele Gründe konnte ich gar nicht absehen, als ich mit der Ausbildung angefangen habe und es begründete sich erst später. Manchmal sind es ganz persönliche, manchmal ganz altruistische Gründe. Zum Beispiel habe ich einfach riesigen Spaß daran, mit Sprache umzugehen und einen Beruf zu haben, über den ich durch eine künstlerische Auseinandersetzung so intensiv in so verschiedene Welten und zeitliche Epochen eintauchen darf. 
Ein weiterer Grund ist das Menschliche, das jedes Mal auf der Bühne verhandelt wird.
Selbst wenn ich manchmal keinen Spaß an meiner Arbeit habe, weiß ich, dass es für die Welt wichtig ist. Davon bin ich überzeugt, denn ich glaube, das Theater und wir Schauspieler haben eine Relevanz. Es ist wichtig, dass es diese Kunstform gibt, da sie wie keine andere wichtige Aspekte in die Welt bringen kann. Wir können gesellschaftliche und zwischenmenschliche Prozesse für den Zuschauer sehr nah erfahrbar machen, ohne dass er es selber privat erleben muss, er es trotzdem miterleben, aber gleichzeitig reflektieren kann. Mein Schauspiellehrer hat zum Beispiel einmal gesagt: „Lieber eine schmerzhafte Erfahrung für wenig Geld an der Theaterkasse kaufen, als sie teuer im Leben zu bezahlen.“
Außerdem ist das Theater die einzig verbliebene Stätte, wo Menschen in der heutigen Zeit Kollektiverlebnisse haben können, denn wir sind ja trotz jeder Individualisierung Gemeinschaftswesen. Es ist wichtig für eine Gemeinschaft, gemeinsame Geschichten erleben und teilen zu können. Im Theater können viele Menschen zusammen sitzen und bei einer Energie im Raum kollektiv etwas erleben. Wenn wir auf der Bühne sind, haben wir - anders als zum Beispiel bei der Übertragung eines Fußballspiels - immer den Dialog mit dem Publikum. Wir spüren immer, wie es reagiert und können darauf eingehen.
Auch wenn das Publikum das nicht weiß, fühlt es sich dadurch auch wahrgenommen. Wir können versuchen, den Aspekt einzubringen, künstlerisch mit Dingen umzugehen, zum Beispiel Entscheidungen anders herbeizuführen als durch reine Macht oder Mehrheitsverhältnisse. Das sind die Gründe, warum ich Theater mache.
Sicher nicht wegen der Gage, nicht, weil ich dann in irgendwelche kleinen, aber dennoch liebenswerten deutschen Städte ziehe, nicht wegen der permanenten Angst um die Zukunft, nicht wegen den bescheidenen Arbeitszeiten oder der Weisungsgebundenheit. Das sind die Umstände, gegen die man immer wieder Gründe setzen muss. Man muss immer wieder das Größere dahinter sehen, das fällt mir auch nicht immer leicht.
Aber wenn mir dann so etwas wie „All das Schöne“ passiert, ich es spiele und merke, es hebt ab und schießt alle Zuschauer, in einen Raum, den es sonst nicht zu erleben gibt, weiß ich, dass ich darum Schauspieler geworden bin. Die Erlebnisse braucht man immer wieder, sie verblassen irgendwann. Ich habe nicht den meiner Meinung nach vermessenen Anspruch, dass wir die Welt in irgendeiner Weise besser machen oder Antworten liefern können. Aber wir können Fragen stellen. Das ist für mich ganz zentral, warum ich gerne Schauspieler bin. Texte, Stücke und Figuren zu befragen und Themen wie zum Beispiel Suizid bei „All das Schöne“ in das Bewusstsein zu rufen. Suizid ist nach wie vor ein Tabuthema, dennoch gibt es jedes Jahr etwa 10.000 Suizide und eine hohe Dunkelziffer. Bei jedem Suizid gibt es im Durchschnitt ungefähr 6 Angehörige, also sind 60.000 Menschen jedes Jahr von diesem Thema betroffen. Dennoch darf man darüber nicht sprechen, sonst ist man komisch. Ich glaube nicht, dass ich durch „All das Schöne“ jemanden vom Suizid abhalten kann, aber es ist toll, dadurch einen Beitrag zur Enttabuisierung und Aufklärung und dem Thema ein Forum bieten zu können.


Du bist jetzt schon einige Jahre Schauspieler. Wenn du etwas am Schauspielerberuf ändern könntest – was würdest du ändern?

Auf jeden Fall die Gagensituation – mit deutlich mehr Gage, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Außerdem würde ich mir eine gewisse Angstfreiheit wünschen. Wir haben befristete Verträge, die Existenzangst mit der Frage „Wie geht’s weiter?“ kommt sehr schnell.


Du hast deine Schauspielausbildung in der Weltstadt Berlin gemacht. Wie war es für dich, als erstes festes Engagement nach Ansbach mit seinem im Vergleich doch recht kleinen Theater zu kommen?

Es war ein riesiges Geschenk, ein riesiges Glück. Kürzlich habe ich gehört, dass nur 3% der Schauspieler fest angestellt sind. Der Rest ist frei, meistens kann man davon nicht leben und muss zum Beispiel nebenbei kellnern. Ich komme von einer privaten Schule, die sehr gut und staatlich anerkannt ist, aber sie ist eben privat. Damit hat man einfach per sé schlechtere Chancen als ein Absolvent einer staatlichen Schauspielschule. Darum war ich froh, überhaupt ein Engagement zu haben. Ansbach, muss ich gestehen, kannte ich vorher überhaupt nicht. Ich komme eigentlich aus Hamburg und habe dann in Berlin gelebt – ich wusste nicht, dass es diese Stadt gibt, ich musste es googeln und stieß auf Kaspar Hauser, den ich wiederum kannte, der mich sehr interessiert. 
Meine ganze Abschlussklasse wurde zum Vorsprechen für Ansbach eingeladen, da die Intendantin Dr. Susanne Schulz bei ihrem vorherigem Engagement in Naumburg einen Absolventen meiner Schauspielschule im Ensemble und für Ansbach noch die beiden Anfängerpositionen für Mann und Frau zu besetzen hatte. Ich musste mich nicht bewerben, was sehr ungewöhnlich ist. Das Vorsprechen für Ansbach fand in Naumburg auf einer winzigen Probenbühne statt. Dort bin ich hingegangen und habe mich gefreut, ein Vorsprechen zu haben, ohne mich kümmern zu müssen. Ich wollte nicht unbedingt, hatte vorher eine gute Woche und war entsprechend frei, das hilft ja manchmal auch. Ein paar Tage später kam der Anruf, ob ich nach Ansbach will – dann hab ich Ja gesagt, obwohl ich noch nie hier war.
In Ansbach zu sein ist ein riesiges Geschenk, weil ich weiß, dass ich hier einen geschützteren Rahmen und mehr Zeit habe. Natürlich muss ich auch hier funktionieren, aber ich bin nicht im Fokus einer großen Öffentlichkeit. Da es ein kleines Ensemble ist, bekomme ich zudem viele schöne, große Rollen, denn es gibt nur mich auf der Position des jungen Mannes. Ich habe tolle Kollegen, die fachlich und menschlich sehr in Ordnung sind, was nicht überall der Fall ist – oft mangelt es an dem einen oder dem anderen. Es gibt schöne Stücke und super Regisseure hier. Ich bin glücklich über den Berufseinstieg am Theater Ansbach.


Wie sieht ein typischer Arbeitstag hier am Theater Ansbach aus?

Es gibt zwei Varianten eines typischen Arbeitstages. Die häufigste Variante ist, dass ich von 10 Uhr bis 14 Uhr und von 18 Uhr bis 22 Uhr probe, dazwischen Text lerne, etwas esse und versuche zu schlafen. So eine Probenwoche geht von Montag bis Samstagvormittag.
Die andere Variante ist, dass ich vormittags probe und abends spiele. Da bereite ich mich dann nachmittags auf das vor, was abends passiert. Zum Beispiel gehe ich den Text nochmal durch. Oder ich spiele vormittags vor Schulklassen und probe abends.


Wie lange brauchst du, um die Texte zu lernen?

Das ist sehr unterschiedlich, je nach Rolle,Textumfang und Textart. Manche Texte sind sehr eingängig. Gott sei Dank bin ich mit der Gabe, schnell Texte zu lernen, beschenkt worden – manche Kollegen können nicht so schnell lernen und müssen mehr „büffeln“.


Wie viel von dir selbst steckt in den Rollen, die du spielst - beispielsweise in Adi aus „Wolken und andere Katastrophen“ oder dem Erzähler aus „All das Schöne“?

Alles. Ich bin mein Instrument - alles was ich spielen kann, welche Töne, Bewegungen und Haltungen ich machen kann – das ist alles in mir. Ich kann nicht irgendetwas tun, was ich nicht bin oder kann. Es geht immer darum, Seiten an, in und von mir sichtbar zu machen, die nicht meine alltäglichen, privaten Seiten sind, die ich aber natürlich auch habe, denn jeder Mensch hat das alles in sich. Die Aufgabe des Schauspielers ist es dann, die Seiten, die für eine Rolle nötig sind, an sich zu entdecken und zu kultivieren, sichtbar zu machen. Natürlich kommen viele Ideen dazu, zum Beispiel vom Regisseur. Das ist dann natürlich auch etwas, dass ich aus mir herauslocken muss. Wenn ich das nicht kann, wenn ich das nicht bin, dann wird es auch nicht herauskommen. Natürlich ist es nicht meine private Seite, denn ich bin kein Adi, der im Trainingsanzug durch die Gegend rennt, ich bin kein Mörder, wenn ich einen spielen muss oder ich nehme keine Drogen, obwohl ich ein Drogenpräventionsstück spiele.

Valentin Bartzsch in "All das Schöne". (Foto: Theater Ansbach)

Wie war es für dich, dich bei dem große Monolog „All das Schöne“, wo alle Nebenrollen durch Zuschauer gespielt werden, auf das Publikum einzulassen?

Spannend! Am Anfang hatte ich große Skepsis und Zweifel, ob es funktioniert und habe mich mit dem Regisseur Dave Wilcox ausgetauscht. Er hat mich immer wieder beschwichtigt und meinte, dass es klappt. Das Spannende ist, dass jede Aufführung eine Premiere ist, denn jedes Mal spielen neue Mitspieler zum ersten Mal. Das ist für mich ein großer Teil, den ich nicht einschätzen kann. Sonst weiß ich genau, wann welcher Mitspieler was wie macht, das ist bei „All das Schöne“ gar nicht möglich.
Wir haben in der Probenarbeit großen Fokus darauf gelegt, wie ich das einleite und mit den Menschen umgehe, dass sie sich sicher fühlen, damit sie nicht das Gefühl haben, dass sie bloßgestellt werden oder etwas falsch machen können. In diese Richtung haben wir viel gearbeitet, ich fühle mich damit gut und stehe auch sehr dahinter. Aus diesem Grund macht es mir mit den Zuschauern großen Spaß, es ist etwas, was ich sehr gerne tue, aber natürlich ist auch immer Nervenkitzel dabei.


Du bist Teil der ersten Ansbacher Freilichtproduktion „Der Tartuffe oder der Betrüger“ - wie unterscheidet sich für dich als Schauspieler eine Freilichtproduktion von den „normalen“ Spielorten?

Es gibt äußere Abläufe, die ganz anders sind. Wir sind zum Schminken und Umziehen nicht im Theater, sondern auch in der Residenz. Außerdem unterscheiden sich natürlich auch die Licht-, Luft- und Temperaturverhältnisse. Das ist immer anders, das wirkt sich in gewissen Maßen auf mein Spiel aus.
Es ist beispielsweise stimmlich ein großer Unterschied. Der Innenhof ist sehr groß und hallt sehr, da muss ich ganz anders arbeiten als im Theater. Auf der großen Bühne und im Roten Kabinett kann ich viel feiner spielen, da ich dort die Akustik natürlich in- und auswendig kenne. Hier im Schlosshof muss ich viel größer spielen und mehr Energie geben.
Und wenn es regnet, knistert es so schön im Publikum, weil alle ihre Regencapes auspacken und anziehen – das haben wir im Theater auch nicht.


Du hast hier in Ansbach auch Klassenzimmerstücke gemacht. Wie ist die Reaktion der Schüler auf solche Stücke und wie unterscheiden sich deiner Meinung nach Schüler, Erwachsene und Kinder als Publikum?

Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Ich spiele ein Drogenpräventionsstück für ältere Schüler von 13 bis 16 Jahren. Das ist ein Alter, in dem die Schüler oft nicht wirklich Lust auf Kultur haben oder vielleicht lieber cool sein wollen und versuchen, das den Mitschülern zu zeigen, während ich spiele. In diesen Fällen muss ich ein bisschen mehr arbeiten, aber es bringt mir großen Spaß. Es ist allerdings auch sehr unterschiedlich, je nachdem,in welcher Schule ich spiele. Ich spiele vom musischen Gymnasium bis hin zum Sprachförderzentrum bei Schülern mit verschiedenen Bildungsständen und Kulturkenntnissen. Manchmal ist es eine riesige Party mit viel Trubel in der Klasse, manchmal sitzen die Schüler minutenlang da und ich höre nichts, dann weiß ich nicht, ob alle noch wach sind. Etwas ganz anderes sind die kürzeren Klassenzimmerstücke für Grundschüler. Wenn ich es gut mache und die Kinder darauf einsteigen, ist es eine wohlig warme Märchenstundenatmosphäre. 
Das macht mir großen Spaß.
Der Unterschied von Kindern und auch Jugendlichen zu Erwachsenen ist, dass sie gnadenlos ehrlich sind. Sie zeigen dir sofort mit allem was sie haben, ob es funktioniert, was du auf der Bühne tust oder nicht. Wenn sie gepackt sind, sind sie ruhig und gespannt, die Münder sind offen. Wenn ich es für sie nicht spannend mache, fangen sie an zu reden oder zu stören. Man bekommt sofort eine Rückmeldung. Bei Erwachsenen spielt man manchmal bei völliger Stille und denkt, es sind alle eingeschlafen und dann applaudieren sie wie verrückt. Ein entscheidender Faktor ist: Die Erwachsenen, die sich meine Stücke ansehen, kommen ganz bewusst und willens, sich Theater anzusehen, nehmen sich dafür frei und bezahlen Geld. Viele Schüler müssen das halt mitmachen, weil der Lehrer das entschieden hat.


In Ansbach bleiben vor allem bei den Stücken im großen Saal oft viele Plätze leer. Bekommst du das von der Bühne aus mit, wie fühlt sich das an und ändert das irgendetwas daran, wie du an die Vorstellung heran gehst?

Ich bekomme viel mehr vom Publikum mit, als sich das Publikum vorstellen kann – zum Beispiel, wenn jemand auf die Toilette geht oder schläft. Dadurch bemerke ich die leeren Plätze natürlich.
Das Problem in Ansbach ist, dass das Große Haus viel zu groß für eine Stadt dieser Größe ist. Es ist sehr schwierig, ca. 450 Sitzplätze bei einer Stadt mit 40.000 Einwohnern in einer Region mit vielen anderen Theatern voll zu bekommen. Aus diesem Grund spielen wir die Stücke leider nicht so oft, weil sie nach 7 oder 8 Aufführungen jeder gesehen hat, der sie sehen will. Die ersten beiden Vorstellungen sind meistens durch Abo- und Premierenpublikum sehr gut besucht, danach bekommt man eigentlich immer einen Platz. Die Ansbacher reagieren sehr auf Kritiken, die Menschen wollen wissen, was sie erwartet.
Dennoch gebe ich immer alles auf der Bühne und das sehr gerne, egal wie viele Leute im Zuschauerraum sitzen. Ich hatte schon Vorstellungen vor sehr wenigen Menschen, die wunderbar und erfüllend für mich waren und umgekehrt. Das gibt es in allen Varianten. Natürlich ist die Euphorie größer, wenn das Haus richtig voll ist. Aber für das, was ich auf der Bühne tue, darf es keine großen Einfluss haben – und hat es auch keinen.


Du verlässt das Theater Ansbach nach der Spielzeit. Welche Rollen und Stücke bleiben dir aus deinen 3 Jahren hier besonders in Erinnerung – sowohl positiv als auch negativ?

Natürlich gibt es immer wieder Stücke und Rollen, die ich nicht so spannend finde oder mit dem Regisseur nicht so richtig übereinkomme - ganz selten, aber das passiert auch hier – aber richtig negativ bleibt mir keine Rolle in Erinnerung, was ein riesiges Geschenk ist.
Ich habe ein paar Rollen, die mir aus verschiedenen Gründen wichtig sind. Ganz besonders wichtig ist mir die Rolle des namenlosen Erzählers in „All das Schöne“. Das ist für mich meine Sternstunde hier und das persönlichste, was ich in Ansbach gemacht habe. Gott sei Dank hatte ich mit Dave Wilcox einen Regisseur, der mir sehr vertraut hat und bei dem ich so arbeiten konnte, wie ich Theater verstehe und gerne mache, soweit es das Stück auch hergibt – „All das Schöne“ ist kein Stück, für das man große Inszenierungsideen braucht. Das verträgt es gar nicht, es ist ja ein sehr persönlicher Monolog.
Weitere wichtige Rollen waren für mich Paul Bäumer in „Im Westen nichts Neues“ in meiner ersten Spielzeit, der Kaspar Hauser und Edmund in „Eines langen Tages Reise in die Nacht“.  


Es wurde in Ansbach viel und kontrovers über die Nichtverlängerung des Vertrags der Intendantin Dr. Susanne Schulz diskutiert. Wie wurde das bei euch im Ensemble aufgenommen?

Natürlich haben wir die Kontroversen um Frau Schulz mitbekommen, darum war es keine große Überraschung – auch wenn wir nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden sind. Nichtsdestotrotz war der Grundtenor im Ensemble Unverständnis, denn meiner Meinung nach tut sie das, wofür sie hierher geholt wurde. Sie erfüllt ihren Auftrag, wir bekommen sehr viel Anerkennung für die künstlerische Weiterentwicklung mit wenigen Ressourcen und für die hohe Qualität des Spielplans und des Personals.
Über Geschmack lässt sich natürlich immer streiten, messbar wird es an den Zuschauerzahlen, die für manche das einzige sind, was zählt. Allerdings muss man betonen, dass es ein völlig normaler Prozess ist, bei einem Intendantenwechsel Stammpublikum zu verlieren und einen Einbruch an Zuschauerzahlen zu haben. Man muss sich neues Publikum erschließen, das alles braucht Zeit. Hier in Ansbach war es der erste Intendantenwechsel, die Menschen kannten diese Situation vorher nicht. In dieser Spielzeit sind wir nun richtig angekommen, das merken wir in persönlichen Gesprächen und anhand der Zuschauerzahlen, die nach oben gehen. Für uns ist es aus diesem Grund ein wenig unverständlich, warum man mit Zahlen argumentiert, um ihren Vertrag nicht zu verlängern.
Für manche Kollegen ist die Nachricht ein größerer Schock, da sie zum Beispiel aus privaten Gründen unbedingt in dieser Region bleiben möchten. Die jüngeren Kollegen sind noch viel ungebundener, es ist ohnehin klar, dass wir nicht bis zur Rente bei unseren Erstengagements bleiben. Für die älteren Kollegen ist es hingegen viel schwieriger, etwas neues, passendes zu finden.


Hat die Bekanntgabe der Nichtverlängerung des Intendantenvertrags deine Entscheidung, das Theater Ansbach zu verlassen, in irgendeiner Weise beeinflusst?

Nein, das konnte es gar nicht. Die Entscheidung, dass ich gehe, wurde Ende Oktober getroffen. Das ist immer der Zeitpunkt für Vertragsverlängerungen oder Nichtverlängerungen, da wir Einjahresverträge haben. Es entscheidet sich also fast ein Jahr, bevor der Vertrag ausläuft, ob man dann noch eine Spielzeit „dranhängt“. Dass Frau Schulz geht und dass die Entscheidung so früh getroffen und bekanntgegeben wird, war nicht absehbar.


Was machst du nun nach deinem Engagement am Theater Ansbach?

Ich ziehe zurück nach Berlin, wo ich vorher gelebt und meine Ausbildung gemacht habe.
Dann werde ich erst einmal 1 ½ Monate bei einem Filmprojekt mit meinem sehr guten Freund Fabian Prokain mitarbeiten– er hat mich damals zum Schauspiel gebracht. Diesmal bin ich aber hinter der Kamera und mache die Aufnahmeleitung und Regieassistenz bei diesem sehr spannenden Projekt, bei dem es wenig Geld, aber viel Mut und Herzblut gibt.
Danach werde ich versuchen, in verschiedenen Bereichen zu arbeiten. Als freier Schauspieler gibt es natürlich das Theater. Man kann eventuell an Stadttheater als Gast für einzelne Inszenierung kommen, es gibt freie Theatergruppen, die regelmäßig Stücke inszenieren und es gibt einzelne Schauspieler, die sich für ein Projekt zusammenfinden. 
Dazu kommt der Bereich Film, der mich sehr interessiert und in den ich gerne reinschnuppern würde. Das ist natürlich schwierig, weil das sehr viele Leute machen wollen, man optimalerweise einen Agenten und ein Showreel braucht.
Ich brauche jetzt tatsächlich eine Pause, deshalb ist es für mich in Ordnung, nicht sofort in das nächste Festengagement gekommen zu sein. Seit Beginn der Ausbildung bis heute mache ich seit 7 Jahren ohne größere Pause Schauspiel. Natürlich ist das toll, aber der Blick wird dann irgendwann sehr eng und jetzt habe ich Lust, mich wieder inspirieren zu lassen und viel ins Theater zu gehen, selber zu konsumieren und nicht immer nur zu produzieren. Einfach mal ein bisschen die Seele baumeln lassen, in Berlin sitzen, Kaffee trinken und schauen, was abends im Theater .läuft.
Man wird sehen - ich hoffe, man wird von mir hören