Wie im Himmel - Kreuzgangspiele Feuchtwangen

2004 kam der Film "Wie im Himmel" in die Kinos und begeisterte mit seiner zauberhaften Geschichte von einem schwedischen Kirchenchor ein Millionenpublikum. 
Ich muss zugeben: Der Film ging völlig an mir vorbei, ich habe ihn nie gesehen und kannte die Handlung nicht - bis die Kreuzgangspiele Feuchtwangen ihn 2018 als Theaterstück auf die Bühne brachten. 

Völlig unvoreingenommen konnte ich mir also die öffentliche Generalprobe ansehen - sie kostet wie immer 10€, findet am Tag vor der offiziellen Premiere statt und hat eine ganz besondere Atmosphäre. Sie ist wie eine reguläre Vorstellung, allerdings kann der Regisseur unterbrechen, sollte etwas nicht passen. 

Der berühmte Dirigent Daniel Daréus erleidet bei einem Auftritt in London einen schweren Herzinfarkt. Er zieht sich aus dem Musikgeschäft zurück und kehrt in sein schwedisches Heimatdorf Ljusâker zurück, wo er die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte. Aufgrund seines Künstlernamens bleibt seine wahre Identität vorerst verborgen, trotzdem kennen ihn die Dorfbewohner natürlich als weltbekannten Dirigenten. Einer der Dorfbewohner lädt Daréus ein, den örtlichen Kirchenchor zu besuchen, da sie sich wertvolle Ratschläge und Hilfe vom Weltmusiker erhoffen. 
Obwohl er der Musik "abgeschworen" hatte, nimmt er die Stelle des Kantors der Gemeinde, der für die Leitung des Kirchenchors zuständig ist, an und erarbeitet mit den Chormitgliedern ein neues Verständnis vom Singen und der Musik. Er ist überzeugt, dass jeder seinen eigenen Ton hat, zum Beispiel Gabriella, die von ihrem Mann zuhause geschlagen wird, der geistig behinderte Tore, den jeder nur als Dorftrottel sieht, oder Holmfried, der jahrelang nur Diskriminierung erfahren hat.
Da er sich in die Chorsängerin Lena verliebt hat und alle Chormitglieder ihren neuen Dirigenten anhimmeln, entlässt der fanatische Pfarrer Daniel - und das kurz vor dem internationalen Chorwettbewerb in Wien...



Die Bühne des Kreuzgangs ist zu Beginn leer - nur eine tafelgrüne Platte zieht in der Mitte die Aufmerksamkeit auf sich. Auf dieser wird der Ort und Monat des Geschehens auf der Bühne vermerkt, um den chronologischen Verlauf sichtbar zu machen und die verschiedenen parallelen Handlungsstränge einordnen zu können. 
Alle Requisiten wie Stühle oder Betten sind im gleichen Grün gehalten - wunderbar passend zur Handlung, in der Daniel Dareus das alte Schulhaus als Domizil gekauft hat. 
Zudem nutzt die Inszenierung die Breite und Tiefe der Kreuzgangbühne voll aus und schafft es so, die verschiedenen Orte der Handlung räumlich zu trennen.

Gregor le DahL steht erst als Daniel Daréus` Manager, später als Chormitglied Björn auf der Bühne, rollenbedingt bleibt er ebenso wie Pascal Pawlowski ist als Gabriellas trinkender, gewalttätiger Ehemann Conny und Julia Suzanne Buchmann als Chorsängerin Amanda eher im Hintergrund.

Wolfgang Beigel als Erik und Doris Otto als Florence überzeugen nicht nur als "gute Seelen" des Chors, sie harmonieren auch als späteres Pärchen sehr gut.

Ulrich Westermann spielt Arne, der um jeden Preis das beste für den Chor will, mit viel Ehrgeiz und Lässigkeit.

Holmfried (Lennart Matthiesen) litt schon während der Schulzeit unter Arnes Mobbing, im Chor entwickelt er unter Daniels Leitung erstmals Selbstbewusstein - diese Entwicklung spielt Matthiesen emotional und authentisch. 

Siv ist nicht gerade die Sympathieträgerin des Stückes, ist sie doch trotz ihrer Begeisterung für den Chor strikt gegen Daniels Ansätze zur Weiterentwicklung des Chors und unterstützt auch dessen Entlassung als Chorleiter. Diesen Konflikt bringt Rebekka Michalek großartig auf die Bühne.

Thomas Zieler verzweifelt als Pfarrer Stig berührend an Sünde und der Realität, während sich seine Frau Inger (Gabriele Fischer) nach einer gemeinsamen emotionalen Basis für die Beziehung sehnt. 

Konstantin Krisch spielt den geistig zurückgebliebenen Tore, den einige aufgrund seiner Behinderung nicht im Chor haben wollten, absolut authentisch. Zu keiner Zeit wirkt Tores Behinderung lächerlich oder gekünstelt - eine herausragende schauspielerische Leistung!

Sina Schulz überzeugt nicht nur als verängstigte, sich nach Befreiung sehnende Gabriella - auch mit dem berühmten "Gabriella´s Song" berührt sie das Publikum. 

Lisa Ahorn lässt sich als junge Chorsängerin Lena ihre offene Art nicht von den negativen Stimmen um Siv verderben und spielt die zu Herzen gehende Entwicklung ihrer Rolle, nicht nur von Lenas Liebe zu Daniel sondern auch ihrer Persönlichkeit, absolut eindrucksvoll.

Sven Hussock ist die Idealbesetzung für den Dirigenten Daniel Daréus. Mit seiner zurückhaltenden, aber dennoch sympathischen Art begeistert er nicht nur die Chormitglieder auf der Bühne, sondern auch das Publikum auf der Zuschauertribüne.
Er legt viele Emotionen in sein Spiel, um die zahlreichen Konflikte und Sehnsüchte seines Charakters sichtbar zu machen - es ist eine große Freude, ihm zuzusehen. 

Zur stimmlichen Unterstützung des Kreuzgangensembles stehen am Ende mehrere Sängerinnen und Sänger aus den Feuchtwanger Chören mit auf der Bühne. Das ist eine großartige Idee, die Musiklandschaft der Stadt in das Stück zu integrieren!


Auch wenn "Wie im Himmel" erst einmal wie eine musikalische Komödie erscheint - das Stück ist definitiv kein leicht beschwingter Theaterabend. 
Natürlich bildet die Musik und die Entwicklung des Chors den Rahmen, doch werden dennoch wichtige Aspekte wie religiöser Fanatismus, häusliche Gewalt, Mobbing, Behindertenfeindlichkeit, Eifersucht und Scheitern thematisiert. 

Regisseur Achim Conrad hat mit seiner Theaterfassung von  "Wie im Himmel" ein wunderschönes, zu Tränen rührendes Stück ohne unnötigen Kitsch geschaffen, das unter die Haut und direkt ins Herz geht. 
Es ist schwer, einen Film wie "Wie im Himmel" mit vielen parallelen Entwicklungen verständlich und nachvollziehbar auf die Bühne zu bringen - Achim Conrad ist das mit seiner Inszenierung definitiv gelungen. Dazu trägt das Ensemble der Kreuzgangspiele bei, das geschlossen mit herausragendem Schauspiel begeistert. 

Die Kreuzgangspiele haben 2018 eine wunderbare Stückkombination geschaffen.
"Faust" ist etwas für den Kopf, "Wie im Himmel" etwas für das Herz. 
Wem Goethes "Faust" zu schwer ist, der findet in "Wie im Himmel" garantiert die passende Alternative. 

Informationen, Termine und Karten gibt es wie immer unter https://www.kreuzgangspiele.de/index.php?id=1.