Lenz - Frankfurt


Aufmerksame Blog-Leser werden sich nun sofort fragen: "Hat sie nicht schon einmal etwas über Lenz geschrieben?"
Ja, habe ich. 
Im Sommer 2016 stand Georg Büchners "Lenz" auf dem Spielplan der Kreuzgangspiele Feuchtwangen. Damals hatte ich die Produktion zweimal im Nixelgarten angesehen und auch darüber gebloggt.

Nach der zweiwöchigen Spielzeit in Feuchtwangen wurde "Lenz" an das Freie Werkstatt Theater in Köln gebracht, wo es nun seit Herbst 2016 sehr erfolgreich im Abendspielplan läuft und auch für den Kölner Theaterpreis nominiert wurde.

Leider klappt es momentan bei mir terminlich nicht, das Stück noch einmal in Köln zu sehen, da aber ein Gastspiel am Frankfurter Gallus Theater angekündigt war, entschlossen wir uns, einen Tagesausflug nach "Mainhattan" zu machen.
Ich war sehr gespannt, wie "Lenz" nun in einem normalen Theater wirken würde, 2016 hatte ich es ja nur als Freilichttheater gesehen. 


Am Inhalt des Stückes hat sich im Vergleich zur Kreuzgangspielzeit kaum etwas verändert. 
Wie auch Georg Büchners Novelle handelt das Theaterstück vom Aufenthalt des geisteskranken Dichters Jakob Michael Reinhold Lenz beim Pfarrer Oberlin und seiner schwangeren Frau. 
Verändert wurden nur Kleinigkeiten, die für die Haupthandlung nicht entscheidend sind, zum Beispiel wurde die Improvisation im Stück an das erwachsene Publikum angepasst. 

Die Stühle gehören nicht zum Bühnenbild.
Auch das Bühnenbild hat sich nicht verändert. Ein großer weißer Kasten, ein kleiner Baum, Holzkisten, Steine, Eimer. Mehr braucht "Lenz" nicht. 

Rike Will spielt Oberlins Frau Frederike, die Stimme der Vernunft und Logik, großartig. 
Vor allem in den emotionalen Momenten, zum Beispiel als das Kind des Ehepaares stirbt, überzeugt sie. 

Achim Conrad ist Lenz. Mit wahnsinniger Intensität bringt er den Sturm und Drang Dichter und seine schizophrenen Episoden auf die Bühne. Man kauft ihm die Rolle in jedem einzelnen Moment des Stücks ab.

Thomas Hupfer arbeitet das Tragische an Oberlins Charakter punktgenau heraus, denn Oberlin versagt, da er zu gutmütig ist, um Lenz wegzuschicken, seine schwangere Frau allerdings genau das von ihm fordert. So funktioniert exzellentes Schauspiel.


An das Theaterstück anschließend wurde ein circa 30-minütiger Dokumentarfilm der Künstlerinnen Barbara Englert und Pola Sell gezeigt, die im Jahr 2013 ein dreimonatiges Theaterprojekt zu "Lenz" mit einer Gruppe Frankfurter Jugendlicher erarbeitet haben.
Es war wahnsinnig spannend, "Lenz" aus einer komplett anderen Perspektive zu betrachten und zu sehen, wie sie sich in ihren jeweiligen Lebenssituationen mit Lenz identifizieren können. 

Zum Abschluss des Abends folgte eine Diskussionsrunde mit den Schauspielern des Stücks, den Macherinnen des Films und den beteiligten Jugendlichen, die einen kurzen Einblick gaben, wie ihre Situation heute im Vergleich zu damals ist.

Ich freue mich wahnsinnig darüber, dass "Lenz" in Feuchtwangen erst als Jugendstück und nun in Köln als Erwachsenenstück so gut aufgenommen wird.
Thomas Hupfers Dramatisierung ist vielschichtig, tiefgehend und hervorragend besetzt.
Ich würde sogar soweit gehen und es in allen Aspekten, die ein Theaterstück hat, als nahezu perfekt zu bezeichnen. Es passt einfach alles zusammen: Dramatisierung, Regie, Schauspieler, Bühnenbild, Requisiten. 
Solche Stücke findet man heutzutage nicht mehr oft auf den Theaterspielplänen.

Da es nur ein zweitägiges Gastspiel im Frankfurter Gallus Theater war, wird das Stück nun wieder in Köln gezeigt. 
Ich kann euch nur ans Herz legen, euch "Lenz" im Freien Werkstatt Theater anzusehen, wenn ihr die Möglichkeit habt, nach Köln zu fahren.
Termine für "Lenz", Karten und weitere Infos gibt es hier.  

Abschließend möchte ich noch ein bisschen Werbung machen, falls Pädagogen mitlesen:
"Lenz" ist sehr gastspieltauglich und großartig für Jugendliche ab 14 aufbereitet. Wink mit dem Zaunpfahl und so. ;)